Bestattungskultur im Wandel
Bestattungskultur im Wandel – eine christliche Antwort
Liebe Schwestern und Brüder,
das Land Rheinland-Pfalz hat vor kurzem sein Bestattungsgesetz grundlegend reformiert. Künftig sind dort viele neue und sehr individuelle Formen der Beisetzung möglich: Fluss- und Tuchbestattungen, die Herstellung von Diamanten aus Asche, das Verstreuen unter einem Baum oder sogar die Aufbewahrung der Urne zu Hause. Die politische Begründung lautet: mehr Freiheit für den Einzelnen. Ich sehe diese Entwicklung kritisch. Natürlich hat jeder Mensch das Recht, über seine letzte Ruhestätte nachzudenken. Doch ich frage mich: Wo bleiben dabei Orte der Erinnerung, wo bleiben Zeichen der Gemeinschaft? Ein Baum im Garten oder eine Urne im Wohnzimmer mögen individuell wirken, aber sie binden das Gedenken an einen sehr kleinen Kreis. Was geschieht mit diesen Erinnerungsorten in der nächsten Generation? Und was bedeutet es für die Gesellschaft, wenn der Tod immer mehr ins Private oder gar ins Verborgene verschoben wird?
Als Christen glauben wir, dass unsere Toten nicht nur in unserem Herzen weiterleben, sondern dass sie vor Gott geborgen sind. Und wir glauben, dass wir mit ihnen verbunden bleiben. Darum hat die Kirche seit ihren Anfängen gemeinsame Orte des Gedenkens geschaffen – Friedhöfe, Gebetsorte und vor allem die Feier der Heiligen Messe.
Im Hochgebet gedenken wir ausdrücklich der Verstorbenen. Wir tragen sie in der Eucharistie vor Gott, bitten ihn, sie aufzunehmen in sein Reich und sie vollenden zu lassen. Wenn wir Eucharistie feiern, geschieht Gemeinschaft über den Tod hinaus. Lebende und Verstorbene sind in Christus verbunden, weil er der Gekreuzigte und Auferstandene ist, der die Schranke des Todes durchbrochen hat. Es ist ein großer Trost, dass unser Glaube uns zeigt: Wir können auch nach dem Tod noch etwas für unsere Verstorbenen tun. Natürlich wissen wir: Das Heil schenkt allein Christus. Aber unsere Liebe darf tätig bleiben. Im Alltag ist es doch so: Wenn ein lieber Mensch uns verlässt oder leidet, dann bringen wir kleine Zeichen der Nähe – wir schreiben einen Brief, legen Blumen nieder, halten die Hand. Wir können nicht alles ändern, aber wir zeigen: Du bist nicht vergessen, du gehörst zu uns. Genauso dürfen wir auch für unsere Verstorbenen handeln. Wir begleiten sie im Gebet, wir lassen die heilige Messe für sie feiern. Damit tragen wir sie hinein in die Liebe Christi. Unsere Zeichen der Verbundenheit werden so hineingenommen in das Opfer Jesu, das stärker ist als der Tod. Schon in der frühen Kirche wurde die Eucharistie über den Gräbern von Märtyrern gefeiert. Daran erinnert die bis heute bewahrte Tradition, dass in der Regel in den Altären Reliquien von Heiligen beigesetzt sind. Damit wird sichtbar: Die Eucharistie ist kein isolierter Akt der Gemeinde, sondern Feier in der großen Gemeinschaft der Kirche. Wir stehen in Verbindung mit den Heiligen, die bereits vollendet sind, und wir bringen zugleich unsere Verstorbenen in die Fürbitte hinein. Am Altar wird die „Gemeinschaft der Heiligen“ erfahrbar – Himmel und Erde, Lebende und Verstorbene sind in Christus verbunden.
Darum lade ich Sie ein: Denken wir nicht nur über äußere Formen der Bestattung nach, sondern halten wir auch an der Mitte unseres Glaubens fest. In jeder heiligen Messe dürfen wir unsere Anliegen vor Gott bringen – für unsere Verstorbenen ebenso wie für die Lebenden. Deshalb ist es eine gute und alte Tradition, Messintentionen zu bestellen: Wir nennen Gott die Namen und Anliegen derer, die uns am Herzen liegen, und vertrauen sie Christus an. So wird sichtbar: Unsere Gemeinschaft reicht weiter als der Tod, getragen von Christus, der uns alle verbindet.
Bestattungskultur mag sich verändern – die Liebe Gottes bleibt. Und in dieser Liebe wissen wir unsere Toten geborgen.
In christlicher Verbundenheit,
Ihr Pastor
Dr. Hanno Schmitt