Hinweis zum Ewigen Gebet
Ewiges Gebet – Wenn die Stille das Herz der Welt schlägt
Liebe Gemeinde,
es gab einmal Tage, da war das Ewige Gebet ein Fest der Seele. Ein Tag, an dem die Kirchenglocken noch nicht als Lärm empfunden wurden, sondern als erhabener Ruf zum Gebet – feierlich, vertraut, fast wie eine Stimme des Himmels über den Dächern.
Am frühen Morgen begann dieser Tag mit der feierlichen Heiligen Messe. Am Ende der Feier wurde das Allerheiligste auf dem Altar ausgesetzt – und dann blieb die Kirche offen, Stunde um Stunde, für stille Anbetung und gestaltete Gebetszeiten: Rosenkranz, Schriftlesung, Lieder, Meditation, Gesänge des Chores. Kinder, Jugendliche, Senioren, Vereine, Familien – sie alle trugen diesen Tag, jede und jeder auf seine Weise. Ein ganzer Tag, in dem Gott einfach da war – inmitten seines betenden Volkes.
Und wenn man an solchen Tagen die Kirche betrat, war da eine besondere Atmosphäre – nicht laut, nicht schwärmerisch, sondern tief und still. Kinder blickten zur Monstranz, als wollten sie einen Augenblick lang den Himmel sehen, oder wenigstens einen Hauch davon erhaschen. Und ja: da war etwas, das größer war als Worte. Und alle, die kamen, spürten es.
Diese Tage sind seltener geworden. In Freisen und Oberkirchen hat seit der Corona-Pandemie kein Ewiges Gebet mehr stattfinden können, in Wolfersweiler schon einige Jahre zuvor. Doch nicht erst die Pandemie, auch schon die Jahre davor, haben gezeigt, dass die Teilnahme vielerorts spürbar zurückging. Zeit, Arbeit, familiäre Verpflichtungen – vieles hat sich verändert. Was früher selbstverständlich war, ist heute nicht mehr leicht in den Alltag einzubauen.
Und doch blieb die Sehnsucht lebendig. In Grügelborn hielt man – oft mit wenigen, aber treuen Beterinnen und Betern – weiter an dieser Tradition fest. Darum ist es nur folgerichtig, dass in diesem Jahr die ganze Pfarreiengemeinschaft Freisen–Oberkirchen am Christkönigssonntag in Grügelborn das Ewige Gebet gemeinsam feiert – als Zeichen der Verbundenheit, der Dankbarkeit und des Neubeginns.
Man erzählt, der heilige Pfarrer von Ars habe eines Tages in seiner Kirche einen alten Bauern bemerkt, der oft stundenlang still in der letzten Bank saß. Kein Rosenkranz, kein Gebetbuch, kein Flüstern – nur Stille. Neugierig fragte Vianney ihn: „Was tust du denn da, so lange in der Kirche?“
Der Mann lächelte schlicht und antwortete: „Ich schaue ihn an – und er schaut mich an.“
Diese Worte haben Vianney nie wieder losgelassen. Denn sie sagen, was Gebet im Innersten ist: Nicht viele Worte, kein Programm, kein Zwang – nur Dasein. Ein Blick, der reicht. Ein gegenseitiges Erkennen – Mensch und Gott, Herz und Herz. Da, wo Worte enden, beginnt Nähe.
Doch das Ewige Gebet ist nicht nur Stille. Es ist eine lebendige Bewegung, ein geistliches Atmen der Gemeinde. Über den Tag hinweg wechseln sich stille Zeiten und gestaltete Gebetsstunden ab: Kinder bringen ihre Bitten, der Chor singt sein Lob, Gruppen und Gemeinschaften übernehmen ihre Stunde. Ein Rosenkranz, eine Meditation, eine Stunde der Fürbitte – alles fließt zusammen. Jede Stimme, jedes Herz, jedes Gebet wird Teil eines großen Ganzen, das von Stunde zu Stunde weiterklingt.
Denn Anbetung ist kein Wegschauen von der Welt, sondern ein Hineinhalten der Welt in Gottes Licht. Wenn wir beten, tragen wir sie alle – die Fernen und die Nahen, die Kranken, die Zweifelnden, die Hoffenden, die Vergessenen – hinein in diese stille Gegenwart. So wird das Ewige Gebet zu einem einzigen Herzschlag aus Dank, Fürbitte und Sühne.
Wir leben in einer Zeit, in der der Mensch glaubt, alles im Griff zu haben. Wir fliegen zum Mars, vernetzen die Welt in Sekunden, steuern Maschinen mit Gedanken – und verlieren zugleich den inneren Halt. Wir glauben, alles machen zu können, und merken doch: das Wesentliche entgleitet uns. Wir heilen Krankheiten – und verlernen, mit Grenzen zu leben. Wir kontrollieren Daten – und verlieren uns selbst. Wir reden unaufhörlich – und hören einander kaum noch zu.
Das Gebet ist das große Gegenbild dazu. Es sagt: Ich muss nicht alles machen. Ich darf loslassen. Ich darf Gott etwas zutrauen. Es erinnert uns daran, dass das Entscheidende nicht von uns abhängt – sondern empfangen wird.
Im Gebet darf ich atmen. Ich darf still werden und wissen: Da ist einer, der trägt, wenn ich nicht mehr kann. Da ist einer, der handelt, wo ich an Grenzen stoße. Da ist einer, der mich anschaut – und mich versteht.
Dass in diesem Jahr alle vier Pfarreien gemeinsam beten, ist darum mehr als Organisation. Es ist ein geistliches Zeichen. Freisen, Grügelborn, Oberkirchen, Wolfersweiler – vier Orte, vier Geschichten, viele Sorgen – und eine Hoffnung.
Am Christkönigssonntag legen wir all das vor Gott: die Sorgen unserer Zeit, die Müdigkeit der Kirche, die Grenzen des Machbaren, die Überforderung unserer Herzen. Wer kommt, braucht nichts zu können – nur still zu werden. Oder mitzusingen, mitzubeten, mitzutragen. Denn jede Stimme, jede Stunde, jedes stille Herz wird Teil dieses einen großen Gebetes, das nie ganz verstummt.
„Ich schaue ihn an – und er schaut mich an.“
Und in diesem Blick – da geschieht, was kein Mensch machen kann: Frieden. Vertrauen. Nähe.
Herzliche Grüße
Ihr Pastor



